Bildaufbau und -gestaltung, 01. Hoch oder breit
#1
[SIZE="6]1. Hoch oder breit[/SIZE]

[SIZE="4]Mehr als nur ein Format[/SIZE]



Liegt Deine Kamera gerade in Reichweite?

Wenn ja, da nimm sie doch einfach mal in die Hand!

Stopp!!! Wie hältst Du sie?

Dacht' ich mir's doch... MrGreen

Automatisch ist man geneigt, ein Motiv erst mal
in der Haltung anzuvisieren (und dann meistens auch "abzuschießen"),
die sich beim unwillkürlichen Griff zur Knipse von ganz alleine ergeben hat - quer.

Bestenfalls passt man sich nach einem ersten Blick durch den Sucher
der Ausrichtung des Motivs an, und das war's dann auch schon.

[SIZE="4]>[/SIZE] .Alles was hoch ist und steht,
.....wird im Hochformat fotografiert –
.....alles Flache und Breite im Querformat.


Grundsätzlich gibt es dagegen auch nichts zu sagen.

Das Motiv soll im Normalfall bildfüllend abgelichtet werden
(von bewusst anders gestalteten Bildern mal abgesehen)
und nicht im Nirwana des Formats verschwinden.

Arrow .Ein noch so großer Leuchtturm wird unweigerlich
.....zum nichtssagenden Winzling, wenn er in der Höhe dermaßen
.....zusammengestaucht wird, dass er ins niedrigere Breitformat passt.

Links und rechts bliebe viel Bildraum frei, den der Turm nicht füllen kann.
So gesehen spricht zunächst alles fürs Hochformat.

Arrow .Ein langer Südseestrand hingegen braucht das Querformat zur Entfaltung.

Hochkant hätten wir lediglich einen kleinen Ausschnitt von ihm,
dafür aber jede Menge inhaltsleeren Himmel oben und Sand unten.


Anders kann das aber aussehen, wenn Du
eine ganz bestimmte Bildkomposition anstrebst.


Steht der Leuchtturm hoch oben über dem Meer
und soll wie ein mahnender Finger emporragen,
dann braucht er dafür das Querformat.

Ansonsten könnte der einsam stehende Turm
keinen Kontrapunkt zur Waagerechten der Klippe bilden.
Der Effekt des Besonderen ginge verloren.

[SIZE="1]0043[/SIZE]
[Bild: 5025709575_47f7d41359.jpg]
[SIZE="1]Fotomontage[/SIZE]


Obwohl die beiden Leuchttürme annähernd gleich groß sind,
sticht der auf dem rechten Bild viel deutlicher aus der Waagerechten der Klippe hervor.
Das Querformat gibt ihm die Gelegenheit, aus der Landschaftsszene auszuscheren.

Links sehen wir einfach nur einen hohen Turm im hohen Format,
und beides entlockt uns nicht gerade tosenden Jubel...

Ähnlich (nur genau andersrum... ;-)) verhält es sich mit unserem Strand.

Zeigst Du ihn breit, dann begreift ihn der Betrachter als Landschaftsform
mit großzügiger Sand- und Wasserfläche.

Hochkant würdest Du ihn eher dann aufnehmen, wenn Du gezielt
den Himmel mit vorüberziehenden Wolken auf das Foto bringen willst,
dazu vielleicht noch eine Palme, die seitlich ins Bild ragt.
Dann stünde die Stimmung im Vordergrund.

[SIZE="1]0044[/SIZE]
[Bild: 5025719577_e6b6de8145.jpg]


Wolken und Palmen hatte ich hier gerade nicht zur Hand. [Bild: c065.gif]

:!: .Dafür liegt die Betonung bei der Hochkantversion auf der Küstenlinie.

Der Blick geht nicht in die Weite (wie im Querformat),
sondern konzentriert sich auf den Verlauf der Uferform.
Die kleine Grasinsel am unteren Bildrand gibt dem Standort
auf einer Düne zusätzliche Höhe und begrenzt den Strand,
statt ihn wie im linken Bild flächig darzustellen.


Ein typisches Beispiel für ein zur Motivausrichtung gegenläufiges Format
sind die beliebten Sonnenuntergänge über dem Meer.


Der Horizont auf dem nächsten Foto verläuft eigentlich quer,
und ein hochformatiges Bild würde ihn nur unnötig einengen.

Arrow .Allerdings sinkt die Sonne von oben nach unten,
.....taucht in der Bildmitte ins Wasser ein und wirft
.....die Spiegelungen ihres Scheines noch weiter nach unten auf die Wellen.

[SIZE="1]0045[/SIZE]
[Bild: 5025719711_c08dcf7ea7.jpg]
[SIZE="1]Muskoka Lake, Kanada[/SIZE]


Das linke Bild ist ja nun nicht wirklich schlecht,
und dennoch macht es einen etwas unfertigen Eindruck.
Die Sonnenspiegelung ist abgeschnitten,
die Bereiche links und rechts von ihr wirken leer.

Rechts dagegen im Hochformat kann sich der Lichtstreifen
fast voll entfalten und sanft schimmernd nach unten auslaufen.
Am oberen Rand bleibt genug Raum, damit sich die Sonne
nicht vom Bildrand bedrängt fühlt.

Das Format richtet sich also nicht alleine nach dem Motiv selbst,
sondern unter Umständen auch danach, was Du mit dem Bild ausdrücken willst.


[Bild: haken-0015.gif] .Folgt es der Ausrichtung des Motivs,
.....dann wird dieses in den Mittelpunkt gerückt.

[Bild: haken-0015.gif] .Ist das Format gegenläufig, kannst Du damit
.....eine indirekte Stimmung ausdrücken,
.....die durch das zweitrangige Motiv lediglich unterstützt wird.


Ein weiterer Vorteil von Hochformaten ist ihre räumliche Tiefe.

Vor dem menschlichen Auge liegt das Nahe unten und das Ferne oben.
Ein Hochkantfoto beschränkt sich also nicht nur darauf,
große senkrecht ausgerichtete Motive aufzunehmen, es kann darüber hinaus
einen weit größeren Tiefenbereich plastisch abdecken als ein Breitbild.

[SIZE="1]0046[/SIZE]
[Bild: 5025719417_c2c62fa80a.jpg]
[SIZE="1]Seerosenteich im Botanischen Garten von André Heller,
Gardone, Gardasee, Italien
[/SIZE]


Leider führt das Hochformat ein Schattendasein
und wird oft nur dann genommen, wenn es nicht anders geht
oder wenn es sich förmlich aufdrängt.

Arrow .Das hat mit der grundsätzlichen Ausrichtung des Menschen zu tun.

Er steht aufrecht, die Welt breitet sich also horizontal vor ihm aus.
Dadurch wird alles breitformatige als angenehm empfunden,
weil die nebeneinander liegenden Augen die Breite besser erfassen können als die Höhe.

Auch spielt sich links und rechts mehr ab als oben und unten.
Die Bewegungen von Autos, Menschen, Tieren oder Gewässern
verlaufen meistens entlang der Waagerechten.
Daher sind z.B. Fernseher breit und nicht hoch konstruiert.

Dieses Empfinden spiegelt sich im „normalen“ Aufnahmeformat wieder -
hochkant bleibt eher die Ausnahme, und das nicht selten zu Unrecht.



Viele Bilder könnten interessanter wirken,
wenn man den Mut zum Außergewöhnlichen aufbringen würde.


[Bild: haken-0015.gif] .In diesem Sinne:
.....einfach öfter mal die Kamera drehen
.....und ein zusätzliches Bild im Hochformat machen!

Du wirst Dich wundern, wie oft das stiefmütterlich behandelte Format
sich darüber freut, wenn es unverhofft zum Einsatz kommt,
und Dich dafür mit einer unerwartet "anderen" Bildwirkung belohnt ;-)

_________________________________________________________


Für alle Neu- und Quereinsteiger:
Link zum Vorwort mit Inhaltsverzeichnis


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#2
Hallo, lieber Hans,
und wieder so eine Anleitung, die es in sich hat. Gerade bin ich am Tulpen fotografieren, da drängt sich das Hochformat auf.

Aber ich kann viel lernen aus dem Beitrag, den du eingestellt hast und danke dir, dass du uns von deinem Wissen etwas abgibt. Es ist wirklich verblüffend, was es ausmacht, ob ein Bild hoch oder breit-formatig ist.

Toll, dass hier verschiedene Fachleute arbeiten und uns helfen. Sollten nicht auch andere Artikel hier unter dieser Rubrik eingeteilt werden? Von Ina zum Beispiel, oder Gabi und noch andern.

Eine Idee wäre auch eine Rubrik, in der alle Tuts verlinkt wären mit einem klaren Titel wie z. B. Rahmen aus Bildinhalt, Out of Bounds, und viele, viele andere. Man hätte es so viel einfacher beim Suchen und müsste nicht immer wieder die gleichen Fragen stellen.

Ich weiss natürlich, dass das viel Arbeit verursacht und verstehe es gut, wenn niemand dies machen möchte. Aber eine Idee ist es doch, oder?

Danke, Hans, es ist wieder ein Schritt, den wir tun beim Lernen, dank dir.
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#3
Hallo Weltenbummler,

als 1. ist es wieder einmal schön, Dich zu lesen.
Und 2. ist dieser Beitrag von Dir ausführlich und gut
verständlich erklärt.
Die von Dir angeführten Aspekte sind einleuchtend und
sind es wert, bevor man "abdrückt", darauf zu achten
und abzuwägen, welche Kamerahaltung nun die Richtige
ist.
Dieser Thread wird mein fotographisches Verständnis auf
jeden Fall weiter vertiefen.

Du und Skeeter habt entscheidenen Anteil daran, dass
mir die Fotografie so viel Spaß macht!

Lieben Gruß
Gabi
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#4
Hallo du Reisender

Ich freue mich auch wieder von dir zu lesen.
Wie ich gerade feststelle, servierst du uns hier wieder ein ausführliches Schmankerl an Wissen.
Es ist auch für mich gut nachvollziehbar zu verzehren.

Auch ich danke dir, dass du dir die Mühe
für uns machst und die Zeit aufbringst.
So ein Beitrag ist bestimmt nicht in 5 Minuten geschrieben.

Ich gebe dir recht mit dem was du anführst.
Ich fotografiere auch selten im Hochformat.
Man sollte sich wirklich vorher darüber Gedanken machen, wie man die Kamera hält.
Ich werde das in der nächsten Zeit mal probieren.

Ich schließe mich Gabi und Claire gerne an.
Ich habe hier durch euch unheimlich viel gelernt.
Das fotografieren macht mir großen Spaß.
Ich freue mich auf weitere Schmankerl des Wissens
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#5
Hier in diesem Thread bitte nur Fragen, Kommentare, Anregungen,
Kritik usw. posten, die sich direkt auf dieses Kapitel beziehen!

Wenn Ihr etwas Allgemeines zu dem gesamten Machwerk
"Bildaufbau und -gestaltung" loswerden möchtet, dann steht Euch
im Thread "Vorwort" aller Platz der Welt zur Verfügung.

Durch diese Trennung von allgemein und sachbezogen helft Ihr,
den gesamten Beitrag für alle Leser übersichtlich zu halten.

Hier im Thread seid Ihr natürlich herzlich eingeladen,
Eure eigenen Umsetzungen des jeweiligen Themas zu posten,
entsprechende Fotos und Bearbeitungen zu zeigen und lebhaft über
das Thema dieses Kapitels zu debattieren, wenn Euch danach ist!

Von mir aus kann's losgehen... MrGreen

Gruß,
Hans
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#6
Interessante Ausführungen.
Der Blick für die richtige Bildkomposition will aber geübt sein. Dies kann mann überall machen, auch wenn die Kamera mal gerade nicht zur Hand ist.
Dazu bildet man mit Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger der linken Hand und dem Zeigefinger der rechten Hand einen kleinen Sucher und geht damit auf Motivsuche.
Wem das zu albern ist, der kann auch immer einen leeren Diarahmen in der Brieftasche haben und damit auf Motivsuche gehen.
Das übt ungemein und nur die Praxis bringt die nötige Sicherheit.

pebu
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#7
Gute Idee, Pebu :daumen:

Einen ähnlichen Vorschlag wollte ich
zu einem späteren Zeitpunkt noch bringen,
wenn es darum geht, lohnenswerte Bilder
schnell und zielsicher noch vor dem Auslösen zu erkennen.

In diesem Sinne: nur weiter so!
Auch wenn Ihr mir damit das eine oder andere
Wort vorab aus dem Munde bzw. von der Tastatur nehmt... MrGreen

Gruß,
Hans
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