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Türchen Nr. 18 - hsk - 18.12.2011 [SIZE="6]Hereinspaziert ins Türchen Nr. 18[/SIZE] .. ![]() Heute ist zur Abwechslung ein Gedicht dran, und dazu sollte ich vorab wohl etwas sagen... Ich hatte schon immer ein Problem damit, dass die meisten kirchlichen Würdenträger vom Dorfpfarrer bis hoch zum Papst ihren Job mit einem Gesicht wie 7 Tage Regenwetter versehen und dabei ganz vergessen, dass der christliche Glaube mit Freude, Liebe und Hoffnung verbunden sein sollte. So gesehen sind mir Das Leben des Brian und Jesus Christ Superstar auch näher als lithurgische Verbalakrobatik oder Turnübungen im Gottesdienst, die lediglich meine Hosenbeine durchwetzen und mir Arthrose in den Knien bescheren. Weder mit dieser persönlichen Einstellung zur Religion noch mit meinem heutigen Beitrag zum Atzventzkalender möchte ich daher irgendjemandem zu nahe treten, der seinen Glauben auf traditionelle Weise zu finden meint. Im Gegenteil: ich denke, der Liebe Gott hat uns Menschen deswegen so individuell erschaffen, damit jeder Einzelne seinen eigenen Weg zu Ihm beschreiten möge, so wie er es für richtig hält. Und ich denke, dass Er genug Humor hat, um auch mal einen göttlichen Joke zu vertragen. Denn wenn ich mir anschaue, was sich so alles auf Erden tummelt, dann hat Er es im Himmel bestimmt auch nicht immer leicht... ;-) Noch ein Wort an die Bibelfesten unter uns: es ist mir durchaus bewusst, dass die eine oder andere Kleinigkeit in meinem Werk auf leichtem Kollisionskurs mit der Geschichte liegt. Ich entschuldige das mit künstlerischer Freiheit sowie der Tatsache, dass es sich ansonsten nicht immer so neckisch gereimt hätte ![]() Gruß & viel Spaß, Hans Türchen Nr. 18 - hsk - 18.12.2011 . ![]() [INDENT]....[SIZE="4]Aus dem Leben eines Revoluzzers[/SIZE][/INDENT] [INDENT][INDENT][SIZE="5]I[/SIZE]n einer kalten Winternacht, da ward ein Kind zur Welt gebracht. Die Mutter fragt: "Wie kann das sein? Nie ließ ich mich mit Kerlen ein!" Und auch den Vater mit Erstaunen hört man zu sich selber raunen: "Sapperlot, meine Marie ist Jungfrau - selbst ICH durfte nie…" [INDENT]Im Himmel grinst ein alter Mann: "Was fangt Ihr mit dem Balg nun an?"[/INDENT] [SIZE="5]J[/SIZE]osef sprach: "Es hilft ja nix, da hat uns wohl mit seinen Tricks der Liebe Gott von ganz hoch droben dieses Kind untergeschoben. Weib, so höre auf zu flennen, wir müssen ihn erst mal benennen!" Maria grübelt, denkt und spricht: "Warum nennen wir den Wicht nicht Denis, Kevin oder Walter? Klingt doch hipp, wat meinste, Alter?" "Jesus, was für blöde Namen, die Dir in den Sinn grad kamen…" "Jesus?? Wunderbar, das isses! Alles andere: vergiss es! Lass uns schnell zum Pfarrer laufen, der soll ihn dann 'Jesus' taufen." [INDENT]Im Himmel seufzt der alte Mann: "Na, das fängt ja heiter an…"[/INDENT] [SIZE="5]N[/SIZE]ach der Taufe steigt die Fete, und mit Pauke und Trompete erscheint die dreifach' Onkelschar: Caspar, Melchior, Balthasar. Sie reichen wertvolle Geschenke auf dass nur kein Verwandter denke, dass man sich würde lumpen lassen. Heut' ist Party - hoch die Tassen! In Nazareth herrscht warmes Klima, drum gedeihet Jesus prima. Der Knab entwickelt sich ganz prächtig, ist bald des Lesens, Schreibens mächtig, basteln kann er auch wie keiner. So wird er Lehrling bei 'nem Schreiner. [INDENT]Zufrieden spricht der Himmelsmann: "So lob' ich's mir, fleißig, wohlan…!"[/INDENT] [SIZE="5]N[/SIZE]ach Feierabend denkt der Jesus: "Was nützen mir die ganzen Pesos, die ich verdiene, wenn ich denke, dass ich zu sehr den Geist beschränke? Meine Eltern sind zwar lieblich, doch andrerseits scheint's mir betrüblich dass meine Wenigkeit empfindet, wie mich mit Gott viel mehr verbindet!" So zog der Bursche bald von hinnen, ließ Schweiß sich über's Antlitz rinnen, wetzte ab die Wanderschuhe, gab viele Jahre keine Ruhe und begann, Liebe zu lehren und die Menschheit zu bekehren. Er fand den Einen oder Andern, der ihn unterstützt beim Wandern. Und so reist die fromme Truppe, spuckt fiesen Gaunern in die Suppe, zieht Geldwechsler aus dem Verkehr, macht Zöllnern g'schwind die Taschen leer und schmeißt die Händler samt ihr'm Krempel mit Schimpf und Schande aus dem Tempel. [INDENT]Da staunt sogar der alte Mann, was sein Junior alles kann…[/INDENT] [SIZE="5]A[/SIZE]m Weekend, um sich zu erholen und just for fun auf Fußessohlen läuft Jesus übers Wasser gar. Was für 'ne Gaudi das doch war! Das Publikum begann zu klatschen als er, zurück in seinen Latschen, gleich drauf ans trock'ne Ufer kam, eilends ein paar Kiesel nahm und sie zu Vollkornbrötchen machte. Und wie die Meute dann erst lachte, als er den See zu Wein verwandelt: "Potz Blitz, der schwätzt nicht nur, der handelt!" Der Gottessohn und seine Jünger wickelte alle um den Finger. Den Blinden gab er Augenlicht, die Kranken spürten Schmerzen nicht, er schenkte Zweiflern tiefen Glauben und neue Ohren allen Tauben. Die Kinder holte er zum Taufen, die Lahmen konnten wieder laufen, und weil er jedermann erlöste rief alles: "Du bist doch der Größte!" [INDENT]Mit Freude denkt der alte Mann: "Er führt nun fort, was ich begann."[/INDENT] [SIZE="5]N[/SIZE]un begab sich's zu der Zeit, dass viele war'n erfüllt von Neid. So konnte, das wird man verstehen, die Seligkeit nicht lange gehen, ohne dass es jene störte, denen alle Macht gehörte. Der Boss von ihnen, Kajaphas, war vor Wut schon reichlich blass. Seine Leut', die Hohenpriester, sprachen bald zu Jesus: "Mister, höre auf das Volk zu blenden und aufzuwiegeln - das muss enden!" Nun hatte Jesus eigne Pläne und antwortete voll Spott und Häme: "Ihr Hohenpriester seid doch Schurken und allesamt stinkfaule Gurken! Die armen Menschen unterdrücken - könnt Ihr noch in den Spiegel blicken? Ich sag' den Leuten Wahrheit nur, unverblümt und rein und pur, doch Ihr hockt fett auf den Zechinen und lasst Euch dreist vom Volk bedienen!" [INDENT]Im Himmel nickt der alte Mann: "Jawoll, sprich's aus, mein Sohnemann!"[/INDENT] [SIZE="5]D[/SIZE]ie Priester ließen sich's nicht bieten. Um jeden Preis musste vermieden werden, dass ein Streik aufkam. Der Entschluss stand fest: man nahm Briefpapier und Stift und schrieb: "Pontius, ist Dein Job Dir lieb?" Du bist der Chief von Neros Gnaden. Gibst es hier Krieg, dann gehst Du baden!" Pontius Pilatus, als er's las, machte sich vor Angst fast nass. Denn in der Tat: der eitle Gnom war abhängig vom King in Rom, und dieser ständig wachsam schaute, ob sich im Reich zusammenbraute miese Stimmung bei den Juden. Bloß nicht! Falls doch, dann soll'n sie bluten! So schrieb zurück der Römerknecht: "Ich arbeitslos? Das wäre schlecht! Ich bin des Kaisers Stellvertreter und weiche keinen Zentimeter! Der Jesustyp wird echt zu kess - von mir aus macht ihm den Prozess." Genau das woll'n die Priester hören! Doch taten sie sich noch empören: "Pilatus, Du hast wohl 'ne Meise - wie soll das geh'n ohne Beweise, dass Jesus nur ein Terrorist und übler Unruhestifter ist? Zuerst muss noch Herodes checken, was wirklich dran ist an dem Jecken!" Schnell wurde Jesus hingebracht. Herodes sieht ihn, staunt und lacht: "Und Du willst sein der Juden König? Dein Ruf beeindruckt mich recht wenig! Ich will von Dir ein Wunder seh'n - kannst Du nicht übers Wasser geh'n? So richtig über Wellen laufen ohne dabei abzusaufen? Ok, Mann, dann spazier' mal cool über meinen Swimmingpool…" Doch Jesus schüttelte den Kopf: "Was bist Du für ein armer Tropf! Glaubst Du, ich mach' hier Wasserspiele, auf dass es Dir privat gefiele? Nur für die wirklich kranken Armen tu ich zum Helfen mich erbarmen." Herodes tobt: "Du dummer Wicht, gib' doch zu, Du kannst es nicht! Das ist Betrug, ich mach' Dich kalt, Du bist ein Fall für'n Staatsanwalt!" So kam es wie es kommen musste und der Leser fast schon wusste: Herodes schickte mit Genuss ihn zurück zum Pontius. Gemäß den Römerparagrafen tat dieser ihn gar hart bestrafen: "Du hast versagt beim King Herodes, folglich bist Du nun des Todes!" [INDENT]Im Himmel stöhnt der alte Mann: "Jetzt fangen sie zu spinnen an…"[/INDENT] [SIZE="5]U[/SIZE]m den Jesus dranzukriegen hatte man sich drauf verstiegen einen Häscher zu benennen: den Kerl, den wir als 'Judas' kennen. Der machte seine Taschen voller, indem er annahm dreißig Dollar und den Bullen feig verriet, was sein Herr des Nachts so trieb. Somit konnten sie auflauern dem Opfer hinter dunklen Mauern. Es war ein Freitag kurz vor Ostern, als überall auf großen Postern dem Volk bekannt gegeben wurde das Todesurteil. Und es murrte auch keiner auf - im Gegenteil: "Super, krass, echt easy, geil!" brüll'n im Chor des Pöbels Massen und konnten es vor Glück kaum fassen, dass endlich einmal was passierte, wo man schon lang nach Action gierte. In einer langen Prozession führte man den Gottessohn durch die Stadt Jerusalem, und jeder kam, um ihn zu seh'n. Die Söldner machten ihn zum Deppen - sein eignes Kreuz musste er schleppen, und zum allergrößten Hohne trug er noch eine Dornenkrone! Als das Kreuz letztendlich stand, man ihn durch Fesseln daran band. Mit gut gezielten Hammerhieben hat man dann hineingetrieben einen Nagel pro Gebein, durch Fleisch und Knochen - wie gemein! Ein Dieb und auch ein Messerstecher, zwei richtig böse Schwerverbrecher, hingen links und rechts daneben. Auch ihnen tat man Saures geben. Doch nur bei Jesus klatscht die Meute, denn er war doch die tollste Beute. Der Ärmste flehte immer wieder: "Vater, lass doch zieh'n vorüber diesen Kelch mit bitter Wein!" Doch Gott sprach: "Sohn, das muss so sein." Den Schmerz durchlitt sein Filius bis zum finalen Exitus. [INDENT]Voll Kummer seufzt der alte Mann: "Gern hab' ich das nicht getan…"[/INDENT] [SIZE="5]D[/SIZE]ie Jünger waren voller Pein: wie würd' es ohne Jesus sein? Zum Abschied woll'n sie 'Servus' sagen und schleichen traurig nach drei Tagen zu ihres Kumpels Todesgruft. Erschrocken schnappen sie nach Luft: "Ei der Daus, schaut alle her: sein Grab, es ist ja lotterleer!" Tja, während sie von Gram verseucht war Jesus aus dem Sarg entfleucht! Und bald schon meinten sie zu spinnen und war'n vor Freude wie von Sinnen, denn wie von eines Zaub'rers Hand kam Jesus auf sie zugerannt! Das Wiedersehn war ein Mordstrubel, doch Jesus sprach: "Trotz Eurem Jubel kann ich nicht bleiben. Wollt' nur sagen: auch ohne mich sollt Ihr es wagen, in meinem Sinn weiterzumachen mit all' den heilbringenden Sachen. Auch wenn Ihr mich dreimal verlügt: schaut zu, dass nie der Geist versiegt, weswegen ich auf Erden war. Mein Name bleibt - für immerdar!" Und als der Jesus so erläutert und die Jüngerschar noch meutert, da nahmt er einen Charterflug, der ihn zu Gott gen Himmel trug. Dort fand ein End' die Christushatz: zu Papas Rechten nahm er Platz. Auf Erden ging das Leben weiter, manchmal traurig, manchmal heiter. Es zieh'n umher die Menschenhorden, heute lieben, morgen morden, sie hau'n sich ewig auf die Hauben im Streite um den wahren Glauben und führen unheilvolle Kriege, wer richtig, wer daneben liege beim Suchen nach dem 'echten' Gott. Welch' Armutszeugnis, welch' Bankrott- erklärung für die Menschenkinder! Um Himmels Willen - was für Sünder! [INDENT]Und Gott, der weise alte Mann, spricht: "Jesu, schau' Dir das nur an! Was möglich war, es wurd' getan, doch jetzt kommt's auf die Menschen an zu finden auf die rechte Bahn. Sie werden's lernen… irgendwann…"[/INDENT] . [/INDENT][/INDENT] Türchen Nr. 18 - derik - 18.12.2011 so viel Lesen am frühen Morgen, aber gut gemacht! Danke für die Geschichte, vielleicht hat man was gelernt. Türchen Nr. 18 - Arlena - 18.12.2011 Ganz herzlichen Dank für dieses Türchen :daumen::icon_bravo::bounce: ! Ich habe bis heute einen guten Draht zu Jesus, dem ersten echten Revolutionär, aber schon lange nicht mehr zu seinen "Vertretern" - und höre mir immer noch "Jesus Christ Superstar" an, eins von meinen Lieblingsmusikwerken seit der Schulzeit;-). Arlena Türchen Nr. 18 - Gabi - 18.12.2011 Danke Hans, die Geschichte werde ich mir dann Nachmittag gemütlich zum Kaffee durchlesen.. Liebe Grüße ![]() Türchen Nr. 18 - island - 18.12.2011 ![]() Boaaa.....wie lange hast du denn daran geschrieben..... Da brauche ich erstmal nen Kaffee und dann wird gelesen. lg Marianne Türchen Nr. 18 - Trance - 18.12.2011 Es begann 1901: 1901 - Sully Prudhomme . . . 2001 - V. S. Naipaul 2002 - Imre Kertész 2003 - J. M. Coetzee 2004 - Elfriede Jelinek 2005 - Harold Pinter 2006 - Orhan Pamuk 2007 - Doris Lessing 2008 - Jean-Marie Gustave Le Clézio 2009 - Herta Müller 2010 - Mario Vargas Llosa 2011 - Tomas Tranströmer 2012 - HSK :?: ;-) :daumen: Gruß Trance Türchen Nr. 18 - Unkraut - 18.12.2011 Das Schmunzeln fing schon beim Lesen der Präambel an und hielt bis zur letzen Zeile. Danke, Hans Türchen Nr. 18 - Suc - 18.12.2011 In vielen Familien wird zu Heiligabend die Weihnachtsgeschichte vorgelesen... ich glaube diese Version eignet sich dafür mehr wie manch andere ..... einfach nur klasse Suc Türchen Nr. 18 - Hartmut - 18.12.2011 Hallo Hans, würd gern den Text von eben meinem Nachbarn übergeben. Das ist ein Mann mit schwarzen Kleid doch sonst ist er ganz ohne Neid. Spricht in nem Haus mit Turm und Glocken doch wollen vieles es nicht rocken. Finde dein Werk richtig nett. Über 20 Jahre Nachbarschaft mit der heiligen Institution. Viele ihrer Vertreten kennen gelernt, aber eigentlich nur mit dem Letzten richtig gut ausgekommen und das obwohl ich überzeugter nicht Kirchgänger bin. Wenn alle Menschen die in solchen Institutionen als nicht Priester wenigsten nach den Worten leben würden wäre die Welt besser. Meine Erfahrung mit den Laien ist da viel schlechter. |