Ein Tag im Leben eines Pixelschubsers
#1
Als ich die Augen öffne sehe ich die Schatten, die die Leuchtziffern an die Wand werfen

Vor dem Spiegel blicke ich in unheimliche Zombieaugen

Auf dem Weg zum Bäcker wirft sich eine Bierdose vor einem Werbeplakat in Pose

Im Parkhaus kriecht eine Spinne über ihr Netz ins perfekte Licht

Die Autobahn schlängelt sich durch wabernden Morgennebel und dahinter geht langsam die Sonne auf

Blut tropft von Wolkenfetzen die vereinzelt am Himmel hängen

Ein Vogelschwarm bricht durch eine Nebelwand und reißt wattegleiche Fetzen mit sich

Die Regentropfen auf der Windschutzscheibe spiegeln insektenaugengleich die Morgenstimmung wieder

Die Strassenlaterne durchbricht wie ein Meteor das Blätterdach des Baumes

Am Parkplatz angekommen benetzt Tau die starren Beine eines auf dem Rücken liegenden Käferkadavers

Ich öffne die Tür und werde geblendet vom harten Neonlicht der Montagehalle

Das Gewirr aus Kabeln im Schaltschrank erinnert mich an Nervenbahnen eines Cyborgs in denen ich mich verliere

Endlich Feierabend und während ich noch auf meinen Schatz warte springt vergnügt ein Eichhörnchen von Ast zu Ast

Die Autobahn empfängt uns mit bösen Rückleuchten, die rot in die Augen stechen

Lauernd warten die Bestien aus Blech bis sich die Ketten lösen und der Stau Vergangenheit ist

Im Parkhaus hat sich die Spinne schon zur Ruh begeben und das Netz hängt verwaist in der Ecke

Der Spiegel zeigt mir Augen, die viel gesehen, doch nichts festhalten konnten

Als einziges Mittel bleiben mir die Pixel des Monitors um einen Teil des heutigen Tages zu fixieren

Das Spiel der Farben beginnt, Linien formen sich zu Gestalten

Malen Galaxien, Monster, Hexen und Feen und noch so vieles mehr

Der letzte Atemzug des Netzteils dann blickt mich der schwarze Monitor an

Und doch erblicken meine Augen in diesem Schwarz noch soviele Bilder,

das der Schlaf mich erst sehr spät erlösen kommt

© "MtP vonExploding Art"
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#2
Ich hätte gern was dazu geschrieben und dich auch was gefragt, aber dir kann man ja keine PN senden.
Im Thread verbietet es mir meine gute Erziehung, da sehr privat.
Arlena
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#3
Genial, Mario!
So ein bisschen kenne ich die Art des Sehens und Verarbeitens aus den Zeiten, in denen ich viel fotografierte, allmählich etwas mehr über Bildebearbeitung und Verarbeitung lernte und dabei oft Assoziationen mit ganz anderen Dingen hatte.
Deine beiden letzten Sätze kenne ich auch- eigentlich fertig, mit dem, was ich wollte, entstehen neue Bilder im Kopf.
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#4
@Arlena,
du kannst dich auch gern per Email bei mir melden, wenn du möchtest

Murdoc@murdocthepsycho.de

Ich wusste garnicht, daß man mir keine PN schicken kann, bis jetzt hat das immer funktioniert


@Lia
Vielen Dank :-)
Ja, je mehr man sich mit den Pixeln beschäftigt, desto mehr verändert sich auch die Sicht auf die Welt. Man sieht Dinge, die einem vorher nicht aufgefallen sind. Und sehr, sehr oft ist man frustriert, weil man eben gerade keine Kamera zur Hand hat ;-)

Manchmal ist es frustrierend, aber ich freue mich dennoch auf jeden neuen Tag, denn die Dinge die Ich sehe, sieht so Niemand anders :-)
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#5
Zitat:Man sieht Dinge, die einem vorher nicht aufgefallen sind. Und sehr, sehr oft ist man frustriert, weil man eben gerade keine Kamera zur Hand hat
Meine Jagdhunde und der Spaß am, bleibe ich becheiden, knipesen, hat mich anders sehen gelehrt.
Manchmal, ja.ärgere ich mich, weil keine Kamera zu greifen ist, und doch bleiben viele unfotografierte Bilder eben doch als Bilder in meinem Kopf.
Umgekhert kann ich den Jahren 2008-2010 jedes Bild auf dem PC dem jeweiligen Tag und seinem Ablauf genau zuordnen, weil alle mit einer sehr spezifischen Lebenssituation verknüpft sind.
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#6
Wunderbar murdoc!!!!

Meine Sicht der Dinge hat sich besonders geändert wenn ich auf die großen Werbeplakate gucke.
Durch die Bildbearbeitung sieht man da jetzt völlig andere Sachen. Natürlich wertet ich die Qualität auch ganz anders.

Bildreiche Grüße schickt Marianne
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#7
Danke dir Marianne :-)

Ja die Werbeplakate und Kataloge sind ein herrlicher Fundus ;-) Wer sich mit Bildbearbeitung beschäftigt, sieht sehr schnell was an den Bildern gemacht wurde und z.T. auch wie.
Die Welt wird "entzaubert", schade zwar, aber man erkennt auch, daß diese Scheinwelt aus wunderschönen Menschen ohne Probleme und Hautunreinheiten nicht real ist.

Ob die Vogue wohl mal ein unretuschiertes Bild eines Models auf´s Cover setzen würde ? Ich denke eher nicht :-)
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#8
Werbeplakate nehme ich selten wirklich wahr, aber stimmt, fast unbewusst erkennt man, wo die Pixel geschubst, verändert und montiert wurden.
Was ich faszinierend finde: Die Wirkung von Pressefotos, auch von Standbildern, die im TV gezeigt werden.
Logischerweise zeigen die immer nur einen Ausschnitt, aber welch unglaublichen, unterschiedlichen Wirkungen die genau durch den bewusst gewählten Ausschnitt im Gesamtgeschehen auf den Betrachter haben, war kürzlich einer TV-Sendung zum Thema fast erschreckend zu erkennen.
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#9
Ja ein entsprechender Schnitt, kann sehr viel Dramatik ins Bild bringen. Er kann auch den Sachverhalt völlig ins Gegenteil drehen, oder falsche Tatsachen vorgaukeln.

Was sehr schade ist, denn gerade in der Presse sollten die Dinge so dargestellt sein, wie sie auch waren. Und Bearbeitung/Zuschnitt sollten sehr vorsichtig gewählt werden.
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#10
Hart, zum Teil brutal,theatralisch in Ansätzen und dennoch sensibel geschrieben. Habe ein paar Tage immer mal wieder drüber gelesen.

Da ich dich als leibhaftige Person nicht kenne, schreibe ich nichts weiter zu dem Inhalt des gelesenen, da es so sein kann wie du beschreibst und es auf dich so wirkt, und genauso kann es das Gegenteil sein. Einfach eine Story.

Die virtuelle Welt ist die eine, die reale die andere. Manchmal kann das fließend verlaufen, das hilft der Kreativität. Ich zum Beispiel bin froh wenn ich in der realen Natur bin, auch mit Kamera, oder ohne. Ich habe es gelernt für mich damit zufrieden zu sein. Zufriedenheit mit sich und seiner Umwelt ist einer der wichtigsten Faktoren für uns Menschen. Viele müssen das erst lernen.

Ich habe gelernt.

Und du? Bist du dabei?

Lg
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