Workflow Fotobearbeitung (Teil 1)
#1
Hallo an alle!

In der letzten Zeit tauchten immer wieder Fragen
nach Verbesserungsmöglichkeiten für Fotos auf,
ebenso herrscht manchmal ein wenig Unklarheit
bei Begriffen wie LMS oder USM.

Also hier wie versprochen ein Workflow zu den
wichtigsten Schritten der Fotobearbeitung.


Die Angaben und Screenshots beziehen sich auf PI12,
dürften aber auch in älteren bzw. SE-Versionen vergleichbar sein.


Arrow .Es gibt vier Werkzeuge, die ich absolut immer zur Hand nehme.

Ob ich diese Funktionen dann auch tatsächlich einsetze
oder nur zur Kontrolle des Bildes verwende, hängt vom Bild selber ab.



[SIZE="4][U]Die 4 wichtigsten Grundfunktionen[/SIZE][/U]

[SIZE="4]1.[/SIZE] > Foto > Licht > Tonwertkorrektur
[SIZE="4]2.[/SIZE] > Foto > Farbe > Weißabgleich
[SIZE="4]3.[/SIZE] > Foto > Licht > Lichter - Mitteltöne - Schatten
[SIZE="4]4.[/SIZE] > Foto > Schärfen > Unschärfemaske

Diese Reihenfolge in der Anwendung ergibt sich aus ihrer Priorität.

Arrow .Zuerst sollten immer die größten Mängel beseitigt werden,
.....damit man für die weiteren Bearbeitungen ein besseres Zwischenergebnis hat
.....und die nötigen Schritte richtig beurteilen kann.

Es macht z.B. keinen Sinn, Farbnuancen zu ändern,
solange man noch keine Tonwertkorrektur
und keinen Weißabgleich vorgenommen hat.

Ebenso kann man sich das Schärfen sparen,
wenn man das Bild danach noch ausrichten
oder stürzende Linien beseitigen will.



[SIZE="4][U]Was bedeuten diese 4 Funktionen?[/SIZE][/U]

[SIZE="4]»[/SIZE] .Tonwertkorrektur

Sie legt vereinfacht gesagt die Hell-Dunkel-Verteilung fest
und definiert, welche Pixel schwarz und welche weiß angezeigt
werden sowie alles dazwischen.

Den Tonwertumfangs kann man ganz schnell anhand des Histogramms überprüfen.

Dort sieht man einen grauen „Berg“, mal flacher oder höher,
mal gezackt oder gleichmäßig verlaufend.
Dieser Berg besteht aus 256 einzelnen senkrechten Linien, jede steht für eine Tonwertstufe.

Die Form des Berges hängt also von der Verteilung der einzelnen Tonwertstufen im Bild ab.
Je höher eine Bergspitze, desto mehr ist vom entsprechenden Wert im Bild vorhanden.

Für ein optimales Bild sollte der Berg von beiden Seiten ansteigen,
irgendwo im mittleren Bereich zur Hochform auflaufen und seine Ausläufer dabei
das ganze Feld von links nach rechts abdecken.


Einzelne Spitzen und Täler sind aber durchaus möglich und korrekt,
weil viele Bilder vom Motiv und vom Aufbau her Schwerpunkte haben.

0008
[Bild: 2268766994_543b6d6026.jpg]

Im rechten Histogramm sieht man, dass die hellen Bereiche
vollkommen leer sind, sie fehlen also auch auf dem dazugehörigen Bild.
Das Bild zeigt folglich eine extrem dunkle Szene oder ist stark unterbelichtet.

Entsprechend kann natürlich auch der linke Bereich schwach ausgeprägt sein,
wenn im Bild die dunklen Informationen fehlen.



[SIZE="4]»[/SIZE] .Weißabgleich

Der Name sagt eigentlich schon alles:

hier wird das Foto mit der Wirklichkeit abgeglichen und so angepasst,
dass weiße Bereiche auch wirklich weiß und nicht farbstichig dargestellt werden.


Eigentlich müsste die Funktion „Grauabgleich“ heißen, denn es geht nicht um weiß allein,
sondern um die farbneutrale Darstellung aller Grauabstufungen zwischen weiß und schwarz.

Man sucht sich also eine farbstichige Stelle im Bild aus, von der man weiß,
dass sie in Wirklichkeit farbneutral war, also bestenfalls reinweiß oder möglichst hellgrau.


PI wandelt diese falsch getönte Referenzstelle in weiß oder neutralgrau um
und berechnet entsprechend alle anderen Pixel im Bild, so dass der Farbstich verschwindet.



[SIZE="4]»[/SIZE] .LMS

Die Funktion "Lichter - Mitteltöne - Schatten" ist in etwa vergleichbar
mit „Beleuchtung aufbessern“ oder einer Kombination aus „Helligkeit + Kontrast“.

Aber sie lässt sich viel differenzierter steuern.

PI betrachtet das Bild getrennt nach den hellen, den dunklen und den
mittleren Bereichen und kann diese auch getrennt voneinander bearbeiten.
Dadurch kann man feinere Akzente setzen als nur mit einem einfachen „heller oder dunkler“.

0009
[Bild: 2268029093_0f1b8897db.jpg]

Die Funktion LMS bietet sich immer dann an,
wenn ein Bild kontrastarm ist oder einen trüben, flachen Eindruck macht.


Um mehr Glanz und Frische hinein zu bringen, erhöht man
mit den Schiebereglern
oder durch direkte Zahleneingabe zuerst die Mitteltöne und senkt dann die Schatten ab.
Unter Umständen kann man danach noch die Lichter leicht anheben.

Das Bild wird dadurch kontrastreicher und gewinnt an Tiefe und Schärfe,
auch wenn Letzteres nur eine optische Täuschung ist.



[SIZE="4]»[/SIZE] .Unschärfemaske

Die USM ist ein Kapitel für sich und wirft zunächst die verständliche Frage auf:
"Warum maskiert man unscharf, wenn man ein scharfes Bild erhalten will?"

Der Begriff stammt ursprünglich aus der analogen Fotografie.

Dort hat man von einen unscharfen Foto ein noch unschärferes Negativ angefertigt
und dieses, sozusagen als Maske, über das Original gelegt.
Beide wurden optisch subtrahiert, und das Ergebnis war ein scharfes Bild.

Um das und die Einstellungen in der USM zu verstehen,
holen wir ein bisschen aus...


Jedes Schärfen eines Bildes ist ein optischer Trick,
der auf der unterschiedlichen Wahrnehmung von Farben beruht.

Der Eindruck von Schärfe entsteht dadurch, dass zwei Farben hart aneinander stoßen.
Je größer der Bereich ist, in dem sie langsam ineinander übergehen,
desto unschärfer wirkt diese Kante.

Stellen wir uns ein Foto dreidimensional vor -
es liegt flach auf dem Tisch und wir schauen darüber hinweg.
Helle Bereich sind „niedrig“ dargestellt, dunkle Bereiche „erhöht“.

0010
[Bild: 2268047429_a771be9b66.jpg]

Die weiße Fläche liegt tief, die schwarze hoch.
An der Kante macht der Tonwert einen abrupten Sprung nach oben –
die Kante ist scharf.

Rechts dagegen gehen beide Töne sanft über
und die Kurve steigt langsam an – das Bild wirkt unscharf.

Je flacher der Anstieg, desto größer die Unschärfe.

Da das Auge in erster Linie Kontraste erkennt,
muss die USM diese erhöhen, um den Eindruck von Schärfe zu vermitteln.

In der nächsten Grafik fügt sie zur unscharfen Kante (A)
zunächst eine noch unschärfere (B) hinzu
und bildet dann die Differenz © aus beiden.

Die Originaltonwerte an dieser Stelle werden über- bzw. unterschritten,
dadurch erhöht sich der Kontrast zwischen den beiden angrenzenden Farben.
Sie berühren sich danach härter als vorher und es entsteht der Eindruck von Schärfe.

Dabei geht die USM mit drei Parametern vor:

0011
[Bild: 2268288731_5f24eb23af.jpg]

Der Radius legt fest, wie breit der verlaufende Streifen ist, welcher geschärft werden soll.

Je größer der Radius, desto mehr benachbarte Pixel werden in die Schärfung einbezogen.

Als Radius wählt man ca. 1% der Auflösung (Web 72 dpi, Druck 150 bzw. 300 dpi),
für den Hausgebrauch und für Papierabzüge also eine Einstellung zwischen 1 und 3.

Die Menge (auch Stärke genannt) bestimmt, wie stark geschärft wird.

Die Zahl gibt an, um wieviel Prozent der Kontrast der eingefügten Pixel im Verhältnis
zu den vorhandenen Pixeln der unscharfen Kante erhöht werden soll.
Üblicherweise stellt man 50 – 100 ein.

Der Schwellenwert bestimmt die Bildereiche, in denen überhaupt eine Schärfung stattfinden soll.

Ein Bild besteht aus 256 Tonwerten, man kann also zwischen 0 und 255 wählen.
Die gewählte Zahl sagt aus, um wieviel Tonwertstufen sich zwei Pixel unterscheiden sollen,
damit sie in die Schärfung mit aufgenommen werden - bei 0 wird alles geschärft, bei 255 nichts.

Richtig eingesetzt wirkt der Schwellenwert wie ein
unsichtbares Lasso zum Markieren der Schärfeebene.

Wenn ich oft vom „Schwellenwert 1“ spreche, dann ist das
genauso willkürlich wie die automatische Mittelwertvorgabe von 128 im PI.
Mit einem Wert zwischen 1 und 5 bekommt man allerdings gute Ergebnisse,
ohne dabei gewollte Farbverläufe zum Rauschen zu bringen.



So viel zur Theorie.
Da der Text für einen einzigen Beitrag zu lang ist, sehen wir uns also
im Teil 2 wieder, wo es endlich zur Sache geht.

Falls Dir der Kopf noch nicht raucht... ;-)

Gruß,
Hans

Wenn Du Teil 2 nicht findest - hier ist er.
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#2
Hallo Hans,
vielen Dank für diesen wirklich nützlichen und übersichtlichen Beitrag :daumen:
Dein Workflow ist toll beschrieben, die Details gut erklärt und das Ganze auch nachvollziehbar. :icon_bravo: :icon_bravo: :icon_bravo:

Gruß
Andreas
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#3
BussiDanke Hans,

bist echt ein Schatz das du dir die Mühe

gemacht hast, und es so toll erklärt hast.


Liebe Grüße
Gabi
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#4
Mensch Hans,

superfein, da hast Du Dir viel Mühe gemacht,
eigentlich sollte man für solche Beiträge einen
Extra Themenbereich eröffnen, damit sie nicht im Nirvana versinken.

"Foto Wissen"
oder
"Fotobearbeitung - Grundlagen".

Jedenfalls bin ich begeistert, kein Buch hätte
es besser erklärt.

Vielen lieben Dank. :sei_gepriesen: :icon_bravo:

Liebe Grüße
Ina ;-)
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#5
@hans - klasse gemacht - und echt eine hilfe danke für die anleitung :daumen::icon_bravo:
@gabi - ich sehe gerade 3.333 - glückwunsch - na - da komme ich drauf zurück-
ein Capo - muß da bei rausspringen ..:bounce:
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#6
Das ist ja wirklich unglaublich, was Du Dir da für eine Arbeit gemacht hast!!:daumen:
Ich werds mir auch ausdrucken und bei Bedarf dann darin rumschmökern, denn fotomäßig bin ich alles andere als ein As!
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#7
uwe schrieb:@gabi - ich sehe gerade 3.333 - glückwunsch - na - da komme ich drauf zurück-
ein Capo - muß da bei rausspringen ..

Bussi Danke Uwe,

habe ich doch gleich notiert und wird nicht vergessen. [Bild: zwinker01,1.gif]

Liebe Grüße
Gabi
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#8
Hallo Hans, [Bild: wavesmilexf7.gif]

vielen,vielen Dank für deine Mühe.Das werde ich mir ausdrucken und dann "rumprobieren" ;-)
Nur gut das wir digital fotografieren[Bild: bild313nm2.png] sonst könnte es teuer werden ;-)

Danke nochmal und einen lieben Gruß,Steffi
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#9
Das ist es ,was ich brauche, handlich auf einigen Blättern und nicht in einem Buch, das die Formate eines Kreuzfahrtschiffes hat!

Danke, Hans, für die grosse Arbeit, die du für uns da geleistet hast. Du hast es so gut beschrieben, dass auch die Letzten es verstehen können, dazu gehöre leider auch ich.

Das verdient einen ganz besonderen Dank, hier kommt er:
[Bild: 805884.gif]
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#10
Zum Schärfen habe ich noch eine Frage. Ich habe schon öfters Bilder genau nach deinen Angaben geschärft. Manchmal aber geht damit die Zartheit einer Blüte verloren, finde ich.

Beispiel ist folgendes Bild:

[Bild: 1083229.jpg] Original

[Bild: 1083230.jpg] 1 x geschärft mit USM 1-50-1

[Bild: 1083231.jpg] 2 x geschärft wie oben.

Kann man das wachsartige Aussehen der Ränder irgendwie mildern? Mich reut die zarte Blütenform, die nach dem Schärfen nicht mehr da ist.

Oder habe ich etwas falsch gemacht?

Danke Hans, falls du dich um meine Frage noch kümmerst. Ich bin wieder zum ersten Abschnitt zurück gegangen und lese alles noch einmal, jetzt, wo ich schon alles probiert habe. Das Original wäre nicht scharf genug, aber mit Schärfen gefällt es mir nicht so gut. Wegwerfen? Oder was?
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