23.03.2011, 16:50
Abnehmen ist ganz einfach,
geht rasend schnell mit ca. 100g in 2 Stunden,
und die Krankenkasse löhnt das Ganze auch noch anstandslos
Meine Methode, klinisch erprobt und erfolgreich praktiziert:
Dienstag, 10:00h, London
Leichtes Ziehen in der Bauchgegend.
Huch - eins von den fünfzehn Guinness gestern Abend war wohl schlecht...
Mittwoch, 14:00h, Dover
Die Kanalfähre legt ab und der Schiffsarzt Hand an mich.
Der Sanitöter lässt sich von einem Medikus in Frankreich
eine telefonische Ferndiagnose durchgeben.
Nach gemeinsamen Konsultationen einigt man sich darauf,
dass ich noch lebe - wie mir scheint, mit leichter Enttäuschung.
Der 2. Offizier informiert den Kapitän, dieser entscheidet sich
gegen eine Umkehr der vollbesetzten Fähre nach England.
Vielmehr befiehlt er 'Volle Kraft voraus' und jubiliert innerlich
über die schnellste Kanalüberquerung seiner Karriere.
Mittwoch, 15:15h, Port de Calais:
Ambulanz und Polizei entern das Schiff.
Die einen prüfen meinen Überlebenswillen, die anderen meine Papiere.
Mit Tatü-Tataa fegt der Rettungswagen durch die Gassen
während die Gaulloise im Mundwinkel des Fahrers fröhlich vor sich hin wippt.
Mittwoch, 16:00h, Centre Hôpitalier de Calais:
Der Arzt in der Notaufnahme hat eine französische Mutter,
einen russischen Vater, einen amerikanischen Geburtsort
sowie einen außerirdischen Akzent in der englischen Aussprache.
Er strahlt, denn ein deutscher Patient fügt seiner
internationalen Vita weitere Bonuspunkte hinzu.
Der feierabendliche Chirurg wird auf dem Parkplatz abgefangen.
Er gibt sich an meiner Bahre die Ehre, umhüllt von Kaschmirmantel,
Seidenschal und dem müde herablassenden Blick des Allwissenden.
Bis zum Anschlag vergräbt er seine Hände in meinen Innereien:
"Appendice! Demain matin. Bonne soirée, Messieursdames.."
Das Personal verneigt sich in Ehrfurcht, entschwindet und lässt mich zurück
in Untersuchungszimmer, Flügelhemd und heller Begeisterung.
Donnerstag, 09:00h:
Die Rollbahre rumpelt durch die Katakomben der Klinik in Richtung OP.
Wenn der optische Eindruck des Krankenhauses auf die Qualität der Behandlung schließen lässt,
werde ich unweigerlich als Kunstfehler mit Prädikat in die medizinischen Lehrbücher eingehen...
Im Vorraum zur Schlachtbank finde ich mich in guter Gesellschaft wieder.
Um mich herum stöhnt, ächzt und jammert es in allen französischen Dialekten.
Vorfreude ist doch die schönste Freude
Donnerstag 12:00h:
Man scheint sich an mich zu erinnern.
Der Gesichtsausdruck der Anästhesieschwester, die mir die Maske ins Gesicht drückt,
hat etwas lustvoll Genießerisches, das an einen römischen Inquisitor des Mittelalters erinnert...
Donnerstag, 14:00h:
Der Kelch der Inquisition ist an mir vorüber gegangen
Freitag - Montag:
Meinen Genesungszustand verfolge ich gespannt anhand meiner Mahlzeiten,
die täglich aus einem Stück Zwieback mehr als am Vortag bestehen.
Da ich direkt vom Schiff aus in die Klinik verfrachtet wurde, habe ich nichts bei mir.
Außer meiner Brieftasche, und die kann ich mir nicht über den Hintern ziehen.
Eine Schwester organisiert Unterhosen zum Wechseln, Modell 'Omas Stützkorsett'.
Der Fernseher zeigt synchronisierte John-Wayne-Filme und französische Spielshows,
die so aussehen und so anspruchsvoll sind wie Dalli-Dalli mit Prilblumen verziert.
In der Raucherecke am Haupteingang treffen sich Patienten, Personal und Besucher.
Die Insassen erkennen und solidarisieren sich anhand von Badelatschen
und popofreiem Flügelhemdchen und halten voller Stolz in der rechten Hand
die Kippe und in der linken den Ständer mit den Infusionsbeuteln.
Am Montagmorgen zeigt die exquisite französische Küche, deren einziger Geschmack
vom Metall des Bestecks beigesteuert wird, eine lang ersehnte erste Wirkung.
Hätte nie gedacht, dass so viel Spaß machen kann...
Montag, 16:00h:
Mit gönnerhafter Mine verkündet der Meister aller Blindgedärme meine Begnadigung!
Mein Tempo vom Bett über den Klamottenschrank zum Ausgang
sollte mich fürs Sprintfinale der Olympiade 2012 qualifizieren.
TAAXIIIII!!!
"Ab nach Hause, bitte!"
Fazit:
Krank werden ist nicht lustig.
Krank sein noch viel weniger.
Aber zum Thema 'Krank & allein & Hunderte von Meilen weg von Heimat und Familie'
fallen mir nur Worte ein, für die ich von Jürgen lebenslanges Forenverbot bekäme...
Gruß,
Hans
geht rasend schnell mit ca. 100g in 2 Stunden,
und die Krankenkasse löhnt das Ganze auch noch anstandslos
Meine Methode, klinisch erprobt und erfolgreich praktiziert:
Dienstag, 10:00h, London
Leichtes Ziehen in der Bauchgegend.
Huch - eins von den fünfzehn Guinness gestern Abend war wohl schlecht...
Mittwoch, 14:00h, Dover
Die Kanalfähre legt ab und der Schiffsarzt Hand an mich.
Der Sanitöter lässt sich von einem Medikus in Frankreich
eine telefonische Ferndiagnose durchgeben.
Nach gemeinsamen Konsultationen einigt man sich darauf,
dass ich noch lebe - wie mir scheint, mit leichter Enttäuschung.
Der 2. Offizier informiert den Kapitän, dieser entscheidet sich
gegen eine Umkehr der vollbesetzten Fähre nach England.
Vielmehr befiehlt er 'Volle Kraft voraus' und jubiliert innerlich
über die schnellste Kanalüberquerung seiner Karriere.
Mittwoch, 15:15h, Port de Calais:
Ambulanz und Polizei entern das Schiff.
Die einen prüfen meinen Überlebenswillen, die anderen meine Papiere.
Mit Tatü-Tataa fegt der Rettungswagen durch die Gassen
während die Gaulloise im Mundwinkel des Fahrers fröhlich vor sich hin wippt.
Mittwoch, 16:00h, Centre Hôpitalier de Calais:
Der Arzt in der Notaufnahme hat eine französische Mutter,
einen russischen Vater, einen amerikanischen Geburtsort
sowie einen außerirdischen Akzent in der englischen Aussprache.
Er strahlt, denn ein deutscher Patient fügt seiner
internationalen Vita weitere Bonuspunkte hinzu.
Der feierabendliche Chirurg wird auf dem Parkplatz abgefangen.
Er gibt sich an meiner Bahre die Ehre, umhüllt von Kaschmirmantel,
Seidenschal und dem müde herablassenden Blick des Allwissenden.
Bis zum Anschlag vergräbt er seine Hände in meinen Innereien:
"Appendice! Demain matin. Bonne soirée, Messieursdames.."
Das Personal verneigt sich in Ehrfurcht, entschwindet und lässt mich zurück
in Untersuchungszimmer, Flügelhemd und heller Begeisterung.
Donnerstag, 09:00h:
Die Rollbahre rumpelt durch die Katakomben der Klinik in Richtung OP.
Wenn der optische Eindruck des Krankenhauses auf die Qualität der Behandlung schließen lässt,
werde ich unweigerlich als Kunstfehler mit Prädikat in die medizinischen Lehrbücher eingehen...
Im Vorraum zur Schlachtbank finde ich mich in guter Gesellschaft wieder.
Um mich herum stöhnt, ächzt und jammert es in allen französischen Dialekten.
Vorfreude ist doch die schönste Freude
Donnerstag 12:00h:
Man scheint sich an mich zu erinnern.
Der Gesichtsausdruck der Anästhesieschwester, die mir die Maske ins Gesicht drückt,
hat etwas lustvoll Genießerisches, das an einen römischen Inquisitor des Mittelalters erinnert...
Donnerstag, 14:00h:
Der Kelch der Inquisition ist an mir vorüber gegangen
Freitag - Montag:
Meinen Genesungszustand verfolge ich gespannt anhand meiner Mahlzeiten,
die täglich aus einem Stück Zwieback mehr als am Vortag bestehen.
Da ich direkt vom Schiff aus in die Klinik verfrachtet wurde, habe ich nichts bei mir.
Außer meiner Brieftasche, und die kann ich mir nicht über den Hintern ziehen.
Eine Schwester organisiert Unterhosen zum Wechseln, Modell 'Omas Stützkorsett'.
Der Fernseher zeigt synchronisierte John-Wayne-Filme und französische Spielshows,
die so aussehen und so anspruchsvoll sind wie Dalli-Dalli mit Prilblumen verziert.
In der Raucherecke am Haupteingang treffen sich Patienten, Personal und Besucher.
Die Insassen erkennen und solidarisieren sich anhand von Badelatschen
und popofreiem Flügelhemdchen und halten voller Stolz in der rechten Hand
die Kippe und in der linken den Ständer mit den Infusionsbeuteln.
Am Montagmorgen zeigt die exquisite französische Küche, deren einziger Geschmack
vom Metall des Bestecks beigesteuert wird, eine lang ersehnte erste Wirkung.
Hätte nie gedacht, dass so viel Spaß machen kann...
Montag, 16:00h:
Mit gönnerhafter Mine verkündet der Meister aller Blindgedärme meine Begnadigung!
Mein Tempo vom Bett über den Klamottenschrank zum Ausgang
sollte mich fürs Sprintfinale der Olympiade 2012 qualifizieren.
TAAXIIIII!!!
"Ab nach Hause, bitte!"
Fazit:
Krank werden ist nicht lustig.
Krank sein noch viel weniger.
Aber zum Thema 'Krank & allein & Hunderte von Meilen weg von Heimat und Familie'
fallen mir nur Worte ein, für die ich von Jürgen lebenslanges Forenverbot bekäme...
Gruß,
Hans