20.07.2008, 19:29
[SIZE="6]8. Die Blende[/SIZE]
[SIZE="4]Einem Mysterium auf der Spur... 8-)[/SIZE]
Wenn man ein Mysterium so definiert, dass
- jeder schon mal davon gehört hat...
- alle wissen, dass es wohl etwas Wichtiges bedeuten muss...
- viele gern mehr darüber herausfinden würden...
- manchen davor gruselt...
- aber alle davon betroffen sind,
dann ist die Blende das Mysterium Nr. 1 in der Fotografie! :icon_vampirschreck:
Um diesem Mysterium auf die Spur zu kommen
und seine Geheimnisse zu lüften, machen wir heute
ausnahmsweise einen kleinen Ausflug in die Theorie.
Keine Sorge - langweilig wird's trotzdem nicht ;-)
Halten wir zunächst die eindeutigen Fakten fest:
1. Die Erde ist rund.
2. Mit der Blende regeln wir die Lichtmenge, die auf den Sensor trifft, basta!
3. Und zum Scharfstellen ist der Fokus da. Punkt.
So haben wir es gelernt, und so machen wir das – Ende Debatte!
:tease: Denkste! :tease:
Die Erde lassen wir rund, aber das mit dem Rest
machen wir ab heute mal anders
Du weißt von der Blende, dass sie neben der Lichtmengenregulierung
auch den Effekt hat, den Bereich der Schärfe zu beeinflussen.
Nur:
- wie war das noch mit kleinen und großen Zahlen?
- wo wird scharf und wo nicht?
- wie hängt das mit der Blendenöffnung zusammen?
Groß... klein.... scharf... weit... nah...
das kann schon mal zu Verwirrung führen.
Weil aber die Blende zu den ganz wichtigen
und grundlegenden Gestaltungsinstrumenten gehört,
gucken wir uns ihre Wirkung noch mal kurz an,
bevor wir zu ihren Einsatzmöglichkeiten kommen.
Dazu schnappen wir uns den Gartenschlauch und sagen „Wasser marsch“!
Leider passiert nicht viel, außer dass
ein trauriges Rinnsal aus dem Schlauch plätschert...
0155
Was machst Du also automatisch?...:idee:
..Du drehst vorne an der Düse,
..und schwupp schießt der Strahl meterweit
..in Richtung Stiefmütterchen und Rosenkohl!
Dabei geschieht Folgendes:
durch das Drehen der Düse veränderst Du
die Größe der Öffnung, durch die das Wasser austritt.
Der Druck im Schlauch selbst bleibt immer gleich,
den gibt das Wasserwerk vor.
[SIZE="1](Sofern Du den Hahn ganz aufdrehst und nicht auf der Leitung stehst... ;-))[/SIZE]
Bei einer großen Austrittsöffnung braucht sich das Wasser nicht beeilen,
es fließt aus dem Schlauch und platscht träge zu Boden.
Wird die Öffnung jedoch enger, dann passt
nicht so viel Wasser gleichzeitig hindurch -
trotzdem drängt von hinten immer neues Wasser nach!
Direkt an der Öffnung muss sich daher jeder Wassertropfen gehörig sputen,
weil schon die Kollegen anstehen und auch raus wollen.
Der Wasserdruck wird durch den verkleinerten Austritt künstlich erhöht,
der Strahl bekommt Fahrt und schießt weiter.
...Legen wir den Gartenschlauch beiseite und greifen wieder zur Kamera,
...denn schließlich geht es hier ja um Fotografie und nicht um Gartenarbeit. ;-)
In die Knipse schüttest nun Du einen großen Eimer Schärfe,
und den gießt Du mit dem Auslöser über Dein Bild.
Die Blende ist dabei die Düse vom Gartenschlauch.
0156
Dabei passiert das Gleiche wie beim Gießen:
mit einer großen Blendenöffnung kannst Du
die Schärfe kaum aus der Reserve locken.
Sie tröpfelt aus dem Objektiv und plumpst Dir
in einem überschaubaren Klecks aufs Foto.
Verkleinerst Du jedoch die Blende,
erhöhst sozusagen den "Druck" auf die Schärfe,
die in Deiner Kamera lauert und raus will,
so schießt sie mit Schmackes aus der verengten Öffnung
und breitet sich viel weiter aus.
Der Bereich der Schärfe auf dem Foto wird größer.
Der Zusammenhang ist jetzt also klar und schaut so aus:
0159
[SIZE="4]-[/SIZE] .Eine große Blende (= kleine Blendenzahl)
....bewirkt eine geringe Schärfentiefe.
[SIZE="4]-[/SIZE] .Und umgekehrt: eine kleine Blendenöffnung (= große Zahl)
....dehnt diesen Bereich weit aus.
Und damit wir vor lauter Begeisterung über die Blende als "Scharfmacher"
nicht gleich wieder ihren Job als Lichtregulator vergessen,
hier nochmal zur Erinnerung, wie sich ihre Öffnung
auf die einfallende Lichtmenge und die Verschlusszeit auswirkt:
0162
Soweit unser kleiner Exkurs zum Thema Blende und Schärfebereich.
Und Freunde, ich sage Euch eines: das muss sitzen! ..:daumen:
Höchstens noch die Frage „Wo ist der Auslöseknopf?“
kann es an Bedeutung mit der Blende aufnehmen...
Theorie, Theorie...
Nicht wirklich prickelnd, ich weiß :icon_troest:
Aber ein bisschen Grundwissen muss nun mal sein,
um dieses wichtige Gestaltungsinstrument einsetzen zu können.
[SIZE="4]Jetzt also endlich zur Anwendung...[/SIZE]
.Für die Gestaltung eines Bildes ist die Blende
.....(neben ihrer Funktion als Lichtregulator)
.....deswegen so wichtig, weil Du mit ihrer Hilfe
.....einen Teil des Bildes hervorheben und betonen kannst.
Also fast schon eine Art "Freistellen" -
nur diesmal nicht mit Lasso oder Zauberstab,
sondern allein durch das Zusammenspiel von Schärfe und Unschärfe.
Grundsätzlich gilt:
je größer die Blende (also je kleiner ihre Zahl),
desto enger setzt Du den Bereich der Schärfe.
Du lenkst die Aufmerksamkeit auf den scharfen Bildteil,
der Rest verschwimmt und kann sich nicht mehr einmischen.
Er wird regelrecht "aus-geblendet".
0157
Hier kann man diesen "Freistellungseffekt"
auch nochmal gut beobachten:
0158
Diesen Effekt kannst Du natürlich auch nachträglich im PI erzielen.
:!:..Doch Vorsicht: das macht nur dann wirklich Sinn,
.....wenn sich die scharfen und unscharfen Elemente
.....tatsächlich auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen befinden!
So ist es im nächsten Bild vollkommen unlogisch,
dass nur der eine Spargelbund scharf abgebildet ist,
obwohl er sich in unmittelbarer Nähe seiner Kollegen befindet.
0160
Diese selektive Schärfe ist ein Trick von PI -
nur mit einer großen Blende allein
wäre sie nie und nimmer zustande gekommen!
Das unsinnige Ergebnis: der Bund scheint zu schweben.
Das Verschwimmen von Bildteilen hat also auch zur Folge,
dass die Raumwirkung im Bild verstärkt wird.
0161
Zur Blende gäbe es noch soooo viel zu sagen,
aber für die Bildgestaltung soll das erst mal reichen. ;-)
Nur noch in aller Kürze das folgende Phänomen:
0163
Egal mit welcher Blende Du fotografierst:
Der scharfe Bereich liegt zu einem Drittel vor
und zu zwei Drittel hinter dem Motiv,
auf das Du fokussierst - immer!
So, das war's - wir haben dem "Mysterium Blende"
(hoffentlich...) seinen Schrecken genommen
Und nebenbei an all die bemerkt, die nicht so recht
von dem bequemen "P" an ihrer Kamera lassen wollen,
weil dann alles so schön automatisch geht:
Nicht weit davon auf dem Einstellrädchen gibt's auch "A" oder "AV"!
Damit wählt man eine Blendeneinstellung vor
und lässt die Knipse den Rest erledigen!
..Auch Berufsfotografen machen mit der Blendenpriorität
.....bis zu 90% ihrer Tageslicht- und Studiobilder.
Wäre ein prima Einstieg in die Erforschung
der vielen Möglichkeiten und Freiheiten,
die eine Cam so bietet... ;-)
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