01.06.2008, 16:02
[SIZE="6]5. Die Blickführung[/SIZE]
[SIZE="4]Der Weg ist das Ziel[/SIZE]
Wenn Du Dich erinnerst, haben wir uns bereits im Kapitel 4
über die Bildhauptlinien mit Richtungen und wandernden Blicken befasst.
:!:..Ging es dort jedoch um emotionale Wirkungen eines Bildes,
.....so machen wir uns heute im wahrsten Sinne des Wortes „auf den Weg“.
Die Bildhauptlinien sollten uns
dabei helfen, in Sekundenbruchteilen sowie im Unterbewusstsein
die gefühlsmäßige Aussage des Bildes zu erfassen.
Die Blickführung, über die wir heute sprechen,
hat dagegen ein völlig anderes Ziel. Sie möchte, dass Du Dir
die Zeit nimmst, das Bild nach dem ersten spontanen Eindruck
bewusst zu durchwandern und Dir in aller Ruhe zu erschließen.
Keine Angst, Dein Bild wird nicht aussehen wie Burda’s Strickmodenmuster,
nur weil wir uns wieder mal an imaginären Linien entlang hangeln. ..:icon_troest:
Aber es wäre doch nett, wenn Du auf Deinem Foto
einen kleinen Hinweis geben könntest, wo’s langgeht, oder?

.....bekommt der Betrachter mittels ortskundiger (Blick-)Führung gezeigt,
.....wo das Ziel seines visuellen Weges liegt.
Die denkbaren Möglichkeiten einer Blickführung sind vielfältig.
Letztendlich wird es auf die jeweiligen Motive ankommen,
darauf was Du an Szene zur Verfügung hast,
welche dieser Möglichkeiten Du nutzen kannst.
Ich gebe Dir mal einige Beispiele...
[SIZE="3]a) die Weg-Führung[/SIZE]
Im Bild ist ein Weg abgebildet, den der Betrachter
bis zum optischen Ziel entlang marschiert.
Das ist direkt, ohne Schnickschnack und sofort nachvollziehbar.
0071
![[Bild: 2241735.jpg]](http://up.picr.de/2241735.jpg)
Statt eines Weges wie auf diesen beiden Bildern kannst Du
natürlich auch eine Straße, einen Bach oder sonst etwas nehmen,
was unter den weiten Begriff "Verkehrsweg" fällt.
Von mir aus auch eine Bahnlinie. Oder eine Kegelbahn.
Oder eine Minigolfbahn - könnte ein interessantes Bild werden. ;-)
Na, hat jemand Lust, so ein Bild im Anschluss zu posten...??

[SIZE="3]b) die perspektivische Führung[/SIZE]
Hierbei hat das Auge keinen realen Weg mehr zur Verfügung,
sondern muss ihn sich anhand einer dominanten Perspektive
innerhalb der Szene selbst suchen.
0072
![[Bild: 2241731.jpg]](http://up.picr.de/2241731.jpg)
Die Objekte in starker perspektivischer Darstellung
wirken wie ein Magnet, der den Blick bindet
und ihm die Richtung zum Ziel weist.
Dieses Ziel liegt immer irgendwo in der Tiefe der Szene,
also im Hintergrund. Es kann das Hauptmotiv sein
wie im linken Bild, oder ein für die Bildaussage
völlig nebensächliches Element.
Letzteres hast Du im rechten Bild.
Das Schiff schaut aufs Wasser, wir auch. Nur wohin...? :shock:
Wenn Du der Fluchtlinie der Perspektive folgst,
dann liegt das Ziel ganz hinten am Horizont, und zwar
genau über dem Pfosten, der aus dem Wasser ragt.
Dort erkennst Du zwischen den Waldgruppen einen kleinen
Durchlass, durch den sich das Schiff seinen Weg auf den
offenen See bahnen wird - unser Ziel.

......Dem Ziel kommt in der Blickführung also
......eine ganz entscheidende Bedeutung zu!
Wieso, warum, weshalb... und was sonst noch wichtig ist,
darüber sprechen wir am Schluss in einer kleinen Zusammenfassung.
Vorher schauen wir uns noch ein paar weitere
Möglichkeiten an, die Blicke innerhalb eines Fotos zu lenken...
[SIZE="3]c) die Blickführung durch Anordnung[/SIZE]
Hierzu ein beliebtes Rezept aus dem Fotobackstudio:
0080
![[Bild: 2241747.jpg]](http://up.picr.de/2241747.jpg)
Ich habe das Rezept mal nachgekocht
und für Dich angerichtet...

0073
![[Bild: 2241732.jpg]](http://up.picr.de/2241732.jpg)
Im linken Bild wird die Blickführung durch die
Pfeilform des Backblechs zusätzlich noch verstärkt
und ein logischer Zusammenhang zwischen den Plätzchen
und der Teigrolle hergestellt: beide gehören beim Backen zusammen.
Rechts siehst Du, dass das Ziel, das Pärchen am Tisch, noch nicht einmal
scharf abgebildet sein muss, um als Endstation des Blickes dienen zu können.
Sie sitzen eigentlich nebensächlich und verloren in der Gegend rum.
Die Blickführung über die leeren Tische hinweg nutzt diese Tatsache
und lässt sie erscheinen wie das berühmte "bestellt und nicht abgeholt".
[SIZE="3]d) die Standort-Blickführung...[/SIZE]
... können wir kurz und knapp abhandeln.
Das Prinzip ist einfach:
Du stehst an einer Stelle mit Ausblick in die Ferne,
und diese Ferne ist durch Landschaft erfüllt und definiert.
0074
![[Bild: 2241734.jpg]](http://up.picr.de/2241734.jpg)
:!:..Einzig zu beachten ist, dass nicht jeder Blick
.....von einem Berg ins Tal automatisch eine Blickführung bietet.
Auf Deinem Foto sollte also zu erkennen sein,
warum Du diese Aussicht als fotowürdig betrachtet hast.
Bei den beiden Beispielen wäre das einmal das Dorf am Seeufer,
auf dem zweiten Bild die Villa in der Mitte als "Zwischenstopp" des Blickes
und die Stadt in der Bucht als endgültiges Ziel.
[SIZE="3]e) der Tunnelblick[/SIZE]
Wenn man einem Menschen einen "Tunnelblick" nachsagt,
dann meint man damit, dass er "Scheuklappen" trägt
und immer nur stur geradeaus schaut.
In Sachen Blickführung können wir den zweifelhaften Ruf
des Tunnelblicks wieder ein bisschen aufbessern,
denn hier kommt es eben genau auf dieses "stur geradeaus" an!
0075
![[Bild: 2242034.jpg]](http://up.picr.de/2242034.jpg)
Das Hauptmotiv befindet sich im eigentlichen Hintergrund.
Davor wird es entweder von einem dekorativen Element eingerahmt
oder dieses Element stellt einen regelrechten Zugang zum Motiv dar.
Damit das Ganze harmonisch und nicht künstlich in Szene gesetzt wirkt,
sollten beide - Motiv und Tunnelelement - in einem Zusammenhang stehen.
Du merkst ebenso, dass die Proportionen durchaus variieren dürfen.

.....um die Fähre nicht zu erdrücken.

.....und den Torbogen als bildfüllenden Rahmen aufnehmen können.
.....Das bleibt letztendlich Geschmackssache.
[SIZE="3]f) der imaginäre Weg[/SIZE]
Ich wünsche Dir einen großen Freundeskreis mit viel Spaß am Modellstehen -
für den imaginären Weg der Blickführung wirst Du ihn brauchen

Wie die Bilder unten zeigen, bedienst Du Dich dabei fremder Hilfe.
Du fotografierst jemanden, der gerade etwas beobachtet.
Wer sich dann Dein Foto anschaut, übernimmt den Blick der
darauf abgebildeten Person und wird zu dessen Blickziel geführt.
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![[Bild: 2242035.jpg]](http://up.picr.de/2242035.jpg)
Idealerweise ist die "Hilfsperson" dabei leicht schräg von hinten abgebildet,
so dass wir von unserem Standort aus, der ja vor dem Foto liegt,
ihrem Blick einigermaßen logisch folgen können.
Gleichzeitig sollte aber ein Teil des Gesichts noch erkennbar sein,
damit es als Startpunkt unseres Blicks nutzen können.
Ein noch so wohlfrisierter Hinterkopf bietet keinen Blickansatz ;-)
[SIZE="3]g) der Wegweiser[/SIZE]
Nach dem Motto "Das Beste zum Schluss"
machen wir jetzt noch ein kleines Experiment :bounce:
Als Ausgangbild nehmen wir dazu ein Foto,
auf dem die Variante "Wegweiser" vorbildlich umgesetzt ist:
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![[Bild: 2242068.jpg]](http://up.picr.de/2242068.jpg)
Dass auf diesem Foto der Blick automatisch
vom Wegweiser über den Feldweg zum Bauernhaus wandert,
ist eigentlich kein großartiges Kunststück 8-)
Lassen wir also ein bisschen Gras über die Sache wachsen
und schauen dann noch mal hin:
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![[Bild: 2242069.jpg]](http://up.picr.de/2242069.jpg)
Man erkennt noch eine Wiesenkante, aber der richtige Weg ist verschwindibus. :shock:

....dass er für eine ersichtliche Blickführung ausreicht.
Der Vollständigkeit halber noch ein weiterer Versuch:
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![[Bild: 2242070.jpg]](http://up.picr.de/2242070.jpg)
Das war fast schon zu erwarten:
ohne Ziel keine Blickführung!
Du hast zwar einen Wegweiser
und kannst auch dem Weg folgen,
wirst aber kein Ziel finden und daher enttäuscht sein.
Und das ist ja nicht Sinn der Übung sprich Blickführung ;-)